Mitwirkung des Kunden erfolgreich einfordern
Sie schaffen gerne Ihre Aufgaben im Projekt, aber dabei sind Sie auf die Mitwirkung Ihres Kunden angewiesen. Das klappt meist mehr schlecht als recht. Hier ist dazu ein Beispiel:
Am kommenden Montag, in genau einer Woche, kommt Ihr Testteam. Es besteht aus drei sehr guten Mitarbeiterinnen, die Ihnen wegen der angespannten Situation in zwei anderen Projekten nur genau für die geplanten acht Arbeitstage zur Verfügung stehen. Die Software wird termingerecht fertig, einige Entwickler arbeiten bereits an der Dokumentation und so könnten Sie fristgemäß mit dem Testen beginnen.
Die Fachabteilung hatte im Kick-off-Meeting zugesagt, die benötigten Testfälle bis zum 4. April zu liefern, das war vor zwei Wochen. Doch trotz zweimaligen Nachfragens und wiederholter Zusicherung sind die Unterlagen bis heute nicht bei Ihnen eingetroffen. Wie verhalten Sie sich in dieser Situation?
Szenario 1: Sie überarbeiten Ihre Risikobewertung und hoffen das Beste.
Szenario 2: Sie rufen den Fachbereich an und bekommen die dritte Zusicherung.
Szenario 3:Sie eskalieren an den Lenkungsausschuss.
Szenario 4: Sie verschieben den Einführungstermin.
Als Projekt- oder Teamleiter sind Sie für das termin- und budgetgerechte Ergebnis verantwortlich. Sie legen fest, auf welchem Weg das Ziel erreicht werden soll, aber Sie entscheiden nicht über das erwartete Resultat, das kommt vom Auftraggeber. Vor diesem Hintergrund wählen Sie nun das Szenario, das Ihnen am meisten hilft, dieses Resultat zu erzielen!
Wenn Sie von keinem der vier Szenarien überzeugt sind, sind Sie auf einem guten Weg. Sie brauchen ein Szenario 5. Fragen Sie erfahrene Projektleiter, wie oft ein Fachbereich oder auch ein externer Kunde Termine gerissen hat. Fragen Sie, wie häufig Zusicherungen („Ich kümmere mich sofort darum. Morgen haben Sie die Unterlagen“) im Sande verlaufen sind, wie kooperativ das Team des Auftraggebers typischerweise ist, wenn die Zeit knapp wird („Ich habe gerade soviel zu tun.“, „Hier brennt seit ein paar Tagen die Hütte.“). Sie können das Szenario 2 in einer Endlosschleife durchspielen. Ohne zusätzliche kommunikative Hilfsmittel werden Sie nichts erreichen.
Es ist oft eine lange Strecke zwischen dem Kick-off-Meeting und dem Zeitpunkt, an dem Sie Zuarbeit von außen, Mitwirkungsleistungen aus dem Team des Auftraggebers tatsächlich benötigen. Daher sollten Sie ein paar Kniffe anwenden, die wir Ihnen vorstellen wollen.
Der lange Marsch bis zum Projekterfolg
Als Erstes sollten Sie sich wieder und wieder klarmachen, dass niemand Sie böswillig hängen lässt. Projekte stellen für jede Fachabteilung und für jeden Auftraggeber eine zusätzliche Arbeitslast dar. Projektteams verdienen ihr Geld damit, Projekte umzusetzen. Dagegen sind Fachbereiche in aller Regel mit ihrem Tagesgeschäft gut beschäftigt: Der Vertrieb sorgt für den Verkauf von Produkten, eine Personalabteilung kümmert sich um Einstellungen, Weiterbildung und viele administrative Aufgaben und der Einkauf beschafft Rohstoffe für die Produktion. Für alle diese Menschen stehen im Laufe eines Arbeitstages viele eilige und teilweise unternehmenskritische Tätigkeiten auf dem Programm. Da fällt die Zu- und Mitarbeit in Projekten oft schwer und kann nur durch Überstunden und Mehrarbeit erledigt werden. Es ist also menschlich verständlich, wenn Sie immer wieder auf Freigaben, Testdurchführungen und Interviewtermine warten müssen.
Diese Sicht auf die Welt macht es Ihnen leicht, die Kommunikation so zu gestalten, dass Ihre Adressaten sich verstanden fühlen. Wenn Ihnen das gelingt, steigen Ihre Chancen, auch in einem überlasteten Fachbereich gehört zu werden.
Spielen wir die verschiedenen Ereignisse im Lauf eines Projekts an einem konkreten Beispiel durch: Sie leiten ein Projekt zur Entwicklung oder Einführung einer neuen Einkaufsabwicklung. Dabei umfasst der Scope neben vielen anderen Prozessen und Funktionen auch eine konzeptionelle Neuausrichtung des Lieferantenmanagements. Dazu sind Sie auf diverse Zuarbeiten und Mitwirkung aus dem Einkaufsbereich angewiesen.
In drei Schritten zur Mitwirkung des Auftraggebers
Schritt 1: Die Kommunikation im Kick-off-Meeting
Als Erstes erläutern Sie im Kick-off-Meeting prägnant, wozu die jeweilige Zuarbeit benötigt wird: Wofür ist die Mitwirkung erforderlich? Das nennt man Sinnbegründung. Und vor allem sollten Sie sich im Vorfeld Gedanken darüber machen, welcher Mehrwert für die Menschen im Unternehmen des Auftraggebers entsteht, die die Arbeit damit haben.
Ein Beispiel: Sie planen einen Workshoptermin mit dem Einkauf. Dort wollen Sie das zukünftige Verfahren zur Listung eines Lieferanten erarbeiten. Häufig klingt das im Kick-off-Meeting so: „Die Projektplanung sieht einen halbtägigen Workshop zur Lieferantenlistung im Mai vor. Dazu erwarten wir als Teilnehmer folgende Mitarbeiter aus dem Einkauf … Die Vorbereitung schicken wir spätestens bis zum 4. Mai.“
Versuchen Sie es stattdessen in dieser Form: „Damit die Lieferantenlistung für Sie demnächst besonders einfach und schnell geht, interessieren wir uns für Ihre Wünsche und Ideen. Dazu planen wir einen Workshop im Mai. Er wird etwa vier Stunden dauern und für Sie zusätzlich zwei Stunden Vorbereitung mitsichbringen.“
Vermeiden Sie, die erwartete Mitwirkung zu „verhängen“ („Der Workshop findet am 11. Mai statt.“). Stattdessen vereinbaren Sie den Termin („Wie sehen Sie als Termin den 11. Mai?“). Vorteil: Die Einkäufer können ihre Hochlastzeiten, Urlaube oder sonstige Hemmnisse berücksichtigen. So finden Sie einen Termin, zu dem alle Ja sagen können. Das erhöht von vornherein die Chancen, dass es klappt.
Halten Sie die Vereinbarung explizit mündlich fest. „Dann sind wir uns einig, dass der Workshop am 13. Mai um 9.00 Uhr beginnt?“ Holen Sie sich das ausgesprochene Ja. Zumindest warten Sie auf ein Nicken. Notieren Sie diesen Beschluss im Protokoll! Im Nachgang versenden Sie einen Terminblocker, sobald der Fachbereich die Teilnehmer benannt hat. Das schützt häufig vor unliebsamen Überraschungen.
Schritt 2: Konsequentes Nachhalten und Reporten
Inzwischen hat der Workshop stattgefunden. Ihr Team hat daraus ein Konzept erarbeitet und dem Einkauf vorgestellt. Bevor Sie an die Umsetzung des Konzepts gehen, brauchen Sie natürlich das O. k. zum Konzept. Daher haben Sie mit dem Fachbereich – in der gleichen Vorgehensweise wie unter Schritt 1 – als Termin den 27. Mai vereinbart.
Sie tun gut daran, ein paar Tage vor dem 27. Mai nachzufragen, ob Sie im Workshop sicher eine Rückmeldung zum Konzept erhalten. Auch hier kommt es auf kommunikative Nuancen an, damit Sie Verstimmungen im Fachbereich vermeiden. Zum Vergleich stellen wir Ihnen wieder ein Beispiel vor.
- Variante 1: „Ich möchte an die Deadline für die Freigabe des Konzepts zur Lieferantenlistung am 27. Mai erinnern.“
- Variante 2: „Damit wir sicher sein können, dass wir die nächste Woche zuverlässig und effektiv für Ihr Projekt planen können, frage ich der guten Ordnung halber, ob es aus Ihrer Sicht bis zum 27. Mai mit der vereinbarten Rückmeldung zum Konzept klappt. Bei Unklarheiten sprechen Sie das Team gern an. Wir freuen uns auf Ihr Feedback.“
Diese Formulierung tut niemandem weh, erhöht aber Ihre Chancen, dass Sie die wichtige Rückmeldung termingerecht erhalten. Und selbst, wenn Sie ein Nein zurückbekommen, haben Sie einige Tage mehr Zeit, die Auswirkungen zu überdenken und andere Aktivitäten für die kommende Woche vorzuziehen.
Daneben gibt es noch einen psychologischen Effekt: Da der Einkauf „die Hosen runterlassen muss“, haben Sie gute Chancen, einen zeitnahen Ausweichtermin zu bekommen. Nutzen Sie die Situation und vereinbaren Sie diesen Termin unmittelbar nach dem Empfang der Nachricht.
Eines müssen Sie dann noch erledigen: Protokollieren Sie die Verschiebung, erwähnen Sie sie im Statusbericht zusammen mit dem neuen Termin und dokumentieren Sie auch die Maßnahmen, die Sie für Ihr Projekt folglich ergriffen haben.
Schritt 3: Richtig reklamieren
Der Einkauf hatte Ihnen „hoch und heilig“ versprochen, bis „allerspätestens“ am 29. Mai eine Rückmeldung zum Konzept zu geben. Inzwischen haben wir den 31. Mai und – Sie ahnen es – nichts hat sich gerührt. Damit haben wir einen Punkt erreicht, an dem wir einen Verstoß gegen unsere gemeinsame Vereinbarung feststellen müssen. Somit haben wir einen Anlass für eine Reklamation oder Beschwerde. Eine Reklamation ist immer dann möglich und meist auch nötig, wenn der Adressat wissentlich oder fahrlässig gegen eine mit Ihnen getroffene Vereinbarung verstößt, ohne dies im Vorfeld mit Ihnen abgestimmt zu haben. Bevor Sie nun übel lospoltern und Ihr Gegenüber mit „Du-Botschaften“ in den Senkel stellen („Sie haben den Termin nicht eingehalten!“), lesen Sie noch einmal den Abschnitt „der lange Marsch“ in diesem Kapitel.
Beim Reklamieren liegt unser argumentativer Schwerpunkt nicht auf dem Versäumnis (Termin gerissen), sondern auf dem Effekt, den dieses Versäumnis hat, speziell den Effekt für den Adressaten. Sie erinnern sich an unser Beispiel? Wir wollten die Lieferantenlistung einfacher und schneller machen. Das nützt vor allem den Einkäufern, weil sie dann mehr Zeit haben, sich um attraktive Konditionen zu kümmern. Deshalb brauchen wir die Mitwirkung.
Entwickeln wir in diesem Geist eine professionelle Reklamation in drei Schritten:
Schritt 1: Zunächst fassen wir den Sachverhalt zusammen, verwenden dabei aber Ich-Botschaften anstelle der üblichen Du-Botschaft. Das klingt weniger vorwurfsvoll und hält die Tür für eine konstruktive Lösung offen.
„Uns fehlt immer noch die Freigabe des Konzepts. Als letztmöglichen Termin hatten wir den 29. Mai vereinbart.“
Verwenden Sie keine Du-Botschaft, wie z. B.: „Trotz anderslautender Zusage haben Sie das Konzept bis zum heutigen Tag nicht freigegeben.“
Schritt 2: Anschließend sprechen wir den Effekt für den Adressaten an.
„Damit verlieren wir die Möglichkeit, die Lieferantenlistung wie geplant zum 1. Juli produktiv zu setzen. Das heißt, das beklagte umständliche Verfahren wird über die Sommerferien hinweg bestehen bleiben.“
Diese Formulierung zeigt, dass Sie sich fachlich mit den Konsequenzen auseinandergesetzt und damit in die Perspektive Ihres Kunden versetzt haben.
Schritt 3: Zum Schluss brauchen Sie eine konstruktive Idee, wie es weiter gehen kann. Diese Idee sollte wieder eine Sinnbegründung enthalten.
„Um zumindest ab September die Vorteile des neuen Dialogs für Sie nutzbar zu machen, was halten Sie von einem gemeinsamen Meeting? Dort können wir zusammen das Konzept durchsehen und offene Punkte klären. Ich könnte hierzu den kommenden Montag um 10.00 Uhr anbieten.“
Protokollieren Sie diese Vereinbarungen und bringen Sie sie im Statusmeeting zur Sprache. Spätestens an dieser Stelle sind Sie der Lösung nah. Sie bekommen Ihren – oder einen alternativen – Termin. Womöglich bekommen Sie aber auch einen Tag später anstelle einer Antwort das freigegebene oder kommentierte Konzept.
Der Dreiklang zum Ergebnis – eine Zusammenfassung
Fassen wir unsere Überlegungen zusammen. Wir haben zwei proaktive und eine reaktive Handlungsmöglichkeiten herausgearbeitet, wie sich Mitwirkung erfolgreich einfordern lässt.
Proaktiv erreichen Sie Prozesssicherheit durch klare, konkrete Vereinbarungen, denen beide Partner zugestimmt haben. Weiter erhöhen Sie die Erfolgschancen durch eine kurze, freundliche Erinnerung, speziell wenn zwischen Vereinbarung und vereinbartem Termin eine lange Zeitstrecke liegt. Beim reaktiven Verfahren achten Sie besonders auf die Wirkung des Versäumnisses für den Auftraggeber und stellen diese – anstelle des Versäumnisses selbst – in den Mittelpunkt Ihrer Reklamation. Dazu finden Sie einen Tipp in unserer Sammlung von Hinweisen und kurzen Tipps.
Zusammenfassend geben wir Ihnen drei Handlungsempfehlungen, um Mitwirkungsleistungen des Auftraggebers erfolgreich einzufordern.
- Geben Sie eine Sinnbegründung für Mitwirkungsleistungen Ihrer Kunden und sorgen Sie für konkrete Terminvereinbarungen.
- Fragen Sie kurz vor der Fälligkeit eines Termins freundlich nach.
- Im Fall einer Reklamation beleuchten Sie den Effekt des Versäumnisses auf das Projekt und vermeiden Sie Vorwürfe.
Lernen Sie über unsere Übung, wie Sie Vorwürfe in konstruktive Aussagen umwandeln.