Widerstände im Veränderungsprozess bearbeiten

Widerstände im Veränderungsprozess bearbeiten

Widerstände im Veränderungsprozess, wie können Sie damit umgehen? Unser Beispiel zeigt Möglichkeiten dafür auf.

Im Unternehmen stehen größere Veränderungen an. Die Organisation soll verändert werden, der Projektablauf wird auf iterative Verfahren umgestellt und in der Softwareentwicklung soll agil mit Scrum gearbeitet werden. Natürlich bedeutet das für alle Mitarbeiter und Kunden eine große Umstellung. Seit Wochen wird darüber gesprochen und in der Kantine diskutiert.

 

Widerstand im VeränderungsprozessEinige Mitarbeiter, der Projektleiter, Entwickler und die Teamassistentin, stehen an der Kaffeemaschine und sprechen über das, was nach der Ankündigung durch die Geschäftsleitung kommen soll. Martin Keller, ein Projektleiter, meldet sich zu Wort. „Bisher hat doch alles bestens funktioniert. Die Kunden sind doch zufrieden. Und meistens hat’s mit der Zeitvorgabe auch geklappt. Irgendetwas haben wir zum Termin live setzen können. Und nun wird uns das Neue als Allheilmittel gegen alle Projektkrankheiten verkauft. Das kann doch nicht gut gehen.“ „Aber bedenke mal, wie hoch der Aufwand im Projekt häufig ist“, gibt der Projektcontroller Jan Schuster zu bedenken. „Die Projekte decken die Kosten nicht immer ausreichend. Vor allem, wenn viele Änderungen kommen, die wir einfach hinnehmen, weil der Kunde es so will.“ „Da musst du dich an den Vertrieb wenden“, meint Tobias Vogt, ein Entwickler, und macht eine abwehrende Handbewegung. „Wir entwickeln nur, was man uns sagt.“ Er ergänzt mit leiser Stimme: „Aber zufrieden sind die Kunden dann auch nicht immer.“

Die Gruppe diskutiert noch eine Weile und tauscht Argumente aus. Dem Zuhörer wird klar, dass es neue Methoden in diesem Unternehmen schwer haben werden, Freunde zu finden. Der Widerstand gegen Veränderungen im Softwareentwicklungsprozess und beim Projektmanagement ist groß. Kann man überhaupt gegen solche Widerstände in der Belegschaft arbeiten?

An diesem Beispiel wird deutlich, wie wichtig die Wahrnehmung von Widerstand gegenüber Veränderungen ist. Was uns vielleicht selbstverständlich erscheint, wird häufig übersehen. Mit einer einseitigen Anordnung von oben wird eine Veränderungsentscheidung verkündet, ohne dass Mitarbeiter und Kunden dabei mitgenommen werden. Dass solche Anweisungen ins Leere gehen, Mitarbeiter andere Wege im Verborgenen suchen, resignieren oder offen revoltieren, können wir uns gut vorstellen.

Veränderungen kommen erst richtig in Gang, wenn die Widerstände aller Beteiligten überwunden sind.

Die Veränderungsformel

Die Organisationswissenschaftler und -berater Richard Beckhard und David Gleicher haben eine Formel entwickelt, die als die Veränderungsformel nach Beckhard & Harris in die Managementliteratur eingegangen ist.

Sie lautet:

R (esistance against change) < D (issatisfaction) × V (ision) × F (irst steps)

Veränderungsformel

Veränderungen werden passieren, wenn die Unzufriedenheit mit dem Status Quo (Dissatisfaction), die Vorstellungen über die mögliche Zukunft (Vision) und erste Schritte (first steps) größer sind als der Widerstand gegen die Veränderung (Resistance against change).

 

Allerdings muss man bei der Veränderungsformel berücksichtigen, dass keiner der drei Faktoren auf der rechten Waagschale 0 (also nicht vorhanden) sein darf, da sonst das gesamte Produkt 0 beträgt, also der Widerstand immer überwiegt, wie klein er auch sein mag. Und überwiegender Widerstand verhindert Veränderung.

Was bedeutet das konkret?

Drei Faktoren im Veränderungsprozess

Drei Faktoren entscheiden darüber, ob eine Veränderung in Gang kommt oder nicht.

  1. Faktor 1 – Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation (Dissatisfaction): Allen Beteiligten muss klar sein, worin die Unzufriedenheit besteht. Was ist nicht mehr akzeptabel, was ist sogar kritisch? Womit sind Kunden, Mitarbeiter, Unternehmer unzufrieden?
  2. Faktor 2 – Vorstellung über die mögliche Zukunft (Vision): Es ist wichtig, dass alle ein Bild von der Zukunft nach der Veränderung haben. Dabei geht es nicht um rosarote Wolkengebilde, sondern um konkrete, für die Menschen relevante Möglichkeiten. Wie wird die Organisation nach der Umstrukturierung aussehen? Wo wird der Platz eines jeden Mitarbeiters dann sein? In welchen Bereichen sich die Arbeitsweise ändern?
  3. Faktor 3 – Erste Schritte (First Steps): Im Veränderungsprozess brauchen Mitarbeiter eine ganz wichtige Information: Was ist ihre Rolle, ihre (neue) Aufgabe? Je konkreter die Beschreibung ist, je konkreter die ersten Schritte auf dem Weg zum Ziel beschrieben sind, desto besser für den Erfolg des Veränderungsprozesses. Was wird getan, damit die Mitarbeiter in ihre neuen Rollen hineinwachsen oder neue Arbeitsmethoden trainieren? Was können sie konkret beisteuern, damit der Veränderungsprozess gelingt?

Bewertet man diese drei Faktoren der Veränderung auf einer Skala von 0 (= sehr niedrig) bis 10 (= sehr hoch), lässt sich die Veränderungsformel beispielhaft für drei Projektteilnehmer so anwenden:

Faktor Berechnung Bewertung
(0 = sehr niedrig, nicht vorhanden bis 10 = sehr hoch, sehr stark vorhanden)
Geschäfts­führer Projektleiter Entwickler Controller
1. Unzufriedenheit × 8 2 1 8
2. Vorstellung von der Zukunft × 7 2 4 6
3. Erste Schritte × 5 0 2 5
Ergebnis
(Produkt der drei Faktoren)
= 280 0 240
Widerstand gegen Veränderung 2 7 5 2
Findet Veränderung statt?
(Ergebnis > oder < Widerstand?)
Ja, ziemlich sicher Nein Ja, aber knapp Ja, ziemlich sicher

An diesen beispielhaften Berechnung der Veränderungsbereitschaft von vier Projektteilnehmern können wir auch sehen, was passiert, wenn ein Faktor mit 0 bewertet wird, also gar nicht vorhanden ist. Dann beträgt das Produkt 0, eine Veränderung wird nicht eintreten.

Ergebnisse für konkreter Handeln

Insgesamt zeigt dieses Beispiel, dass im Veränderungsprozess des Unternehmens Schwierigkeiten zu meistern sind. Projektleiter und Entwickler sind noch nicht überzeugt. Hier muss die Geschäftsleitung bei der Argumentation nacharbeiten, wenn der Prozess gelingen soll.

Diese Formel können Sie auch einsetzen, wenn Sie in einem Projekt besonders große Widerstände feststellen, z. B. gegen die Einführung eines neuen IT-Systems. Auch im Vertrieb kann es hilfreich sein, sich die Kundensituation anhand dieser Veränderungsformel zu vergegenwärtigen. Auf diese Weise wird schnell sichtbar, an welchen Stellen in der Kommunikation des Verändungsprozesses noch nachjustiert werden muss.

  • Fehlt es an Beispielen und Erklärungen für die Unzufriedenheit mit dem Status quo?
  • Gibt es zu wenige Informationen darüber, wie es zukünftig sein soll?
  • Müssen mehr konkrete erste Schritte ausgearbeitet werden? Vielleicht ausdifferenziert nach Gruppe, Rolle oder Person?

In einer Übung lernen Sie, die Veränderungsformel in Ihrem Projekt anzuwenden.

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