Motive und Bedürfnisse verstehen
Motive und Bedürfnisse verstehen und zu adressieren, ist für jeden Projektleiter wichtig. Ob die eigenen Bedürfnisse, die von Mitarbeitern oder Kunden: Haben Sie einen Zugang dazu, wird der Umgang leichter.
Unser Beispiel zeigt, was gemeint ist: Abgehetzt und außer Atem kommt der Martin Keller, ein Projektleiter, ins Büro, wirft die Jacke über den Stuhl, reißt den Computer aus dem Rucksack und stürmt in den Meetingraum. „Tut mir leid, ich hatte wieder rote Welle auf dem Weg hierher. Man sollte morgens alle Autos verbannen!“ Sein Chef Michael Franke blickt genervt auf, Martin hat die Präsentation seiner Kollegin Stefanie Brandt gestört, die gerade den Statusbericht eines wichtigen Projekts vorstellt. „Kannst Du mal einfach eher losfahren? Immer wieder kommst Du zu spät! Und dann störst Du auch noch, anstatt Dich leise hinzusetzen.“ Die ganze Sitzung über grummelt Martin und ist schlecht gelaunt. Immer wieder schießt er verbal mit spitzen Pfeilen auf seine Kollegen. Das Meeting nimmt einen holperigen Verlauf, die Harmonie ist gestört.
Später nimmt Michael Franke seinen Projektleiter zur Seite. „Sag mal, was ist los? Warum regst Du Dich eigentlich so auf?“ Dann zieht Martin richtig vom Leder, schimpft über Autofahrer und Radfahrer, die ihn aufhalten, Kunden, die immer nur noch mehr wollen und Kollegen, die vor lauter Langsamkeit am Schreibtisch einschlafen. Der Gipfel sind die Jogger, die ständig bei ihm in der Straße laufen. „Und weißt Du was,“ sagt er zu seinem Chef, „ich habe den Eindruck, das wird immer schlimmer.“ Martin Keller ist richtig in Fahrt.
Was ist passiert? Das Verhalten und die Aufregung von Martin Keller sind typisch für einen Menschen, der seinen Bedürfnissen nicht folgt. Der Projektleiter handelt wie jemand, der sich keine Langsamkeit erlaubt und weniger eilig ist. Vielleicht gesteht er sich auch nicht ein, dass er gesünder leben sollte, und Bescheidenheit eine Zier ist, aber verhindert, das zu bekommen, was er braucht. Wie kommen wir zu dieser vielleicht etwas provokanten Aussage?
An deinen Emotionen wirst du Bedürfnisse erkennen
Bedürfnisse und Motive treiben uns an, veranlassen uns zum Handeln, sind der Motor unseres Verhaltens. Sie sind grundlegend und langfristig angelegt. Motiv kommt vom lateinischen „movere“ – das heißt „bewegen“. Motivation ist unsere latente Bereitschaft, bestimmte Ziele zu erreichen und damit auf unsere Umwelt und ihre emotionalen Reize entsprechend zu reagieren.
Über viele Motive und Bedürfnisse können wir reden. Wir wissen es meistens, dass wir leistungsbereit sind, anerkannt und respektiert werden wollen oder gesund bleiben wollen. Das veranlasst uns, z.B. fleißig zu sein, nett und zuvorkommend mit unseren Mitmenschen umzugehen oder regelmäßig das Fitnessstudio zu besuchen.
Leider achten wir nicht immer auf unsere Bedürfnisse. Es ist keine Zeit, das Fitnessstudio zu besuchen, der faule Hund in uns hat gerade die Oberhand und lässt uns in der Firma Überstunden machen und wir sind gerade nicht in der Laune, mit allen freundlich umzugehen. Wer kennt das nicht.
Problematisch wird die Lage, wenn wir über längere Zeit unseren Bedürfnissen nicht nachgehen. Oder wenn es sich in unserer persönlichen Lebensgeschichte als nicht hilfreich erwiesen hat, bestimmten Bedürfnissen zu folgen. Wer als Kind gelernt hat, dass es besser ist, den Mund zu halten und die eigene Meinung für sich zu behalten, der hat es als Erwachsener oft schwer, aus sich heraus zu gehen und seine Ansichten laut und deutlich zu sagen.
Das Unterbewusstsein ist wie ein Eisberg
Diese nicht beachteten Bedürfnisse verschwinden unter der Wasseroberfläche und bilden einen großen Eisberg, der unter der Wasserlinie viel größer ist als oben sichtbar. Diesen unsichtbaren Teil des Eisbergs nennen wir Unterbewusstsein. Alles, was darin ist, ist uns nicht bewusst und mit unserer Ratio nicht zugänglich. Ca. 3 % dessen, was uns ausmacht, ist uns wirklich bewusst, der Rest der Prinzipien, Gestalten und Bedürfnisse befindet sich in unserem Unterbewusstsein.
Wie kommen wir daran? Woran merken wir verborgene Motive und Bedürfnisse? Wir können zu unserem Unterbewusstsein Zugang bekommen durch Kontakt mit dem Außen, Umgang mit Menschen, durch das Leben überhaupt. Ob wir in unserem Unterbewusstsein ein Bedürfnis haben, dass wir nicht genug beachten, können wir an unseren Emotionen erkennen.
Bemerken wir an uns Emotionen, die besonders stark sind, sowohl positive als auch negative, dann haben wir einen Volltreffer. Es gibt dann etwas, was uns sehr wichtig ist, das uns nicht bewusst ist und meistens auch nicht ausreichend bewusste Aufmerksamkeit erfährt. Alles, was uns besonders freut oder ärgert, besonders an- und aufregt, gibt darauf einen Hinweis. Diese An- und Aufreger begegnen uns in unserem Leben immer wieder.
Typische Beispiele für An- und Aufreger sind:
- Kunden, die besonders fordernd sind
- Der Kollege, der immer zu spät zum Meeting kommt
- Fehlerfrei durchlaufende Software, die einfach Freude macht
- „Rote Welle“ auf dem Weg zur Arbeit
- Menschen, die genau wissen, welcher Knopf bei uns gedrückt werden muss, damit wir an die Decke gehen
- Die frechen, respektlosen Typen, die uns bei jeder Gelegenheit über den Weg laufen, beim Bäcker, an der Bushaltestelle oder in der Firma
Fallen Ihnen Ihre ganz persönlichen An- und Aufreger ein?
Es sind meistens Dinge, Menschen, Ereignisse,
- die wir gut kennen, die uns vertraut sind,
- die zu Themen gehören, die gerade bei uns in Bearbeitung sind,
- Eigenschaften oder Themen vertreten, die wir uns nicht erlauben oder ablehnen.
- Eigenschaften oder Ereignisse, die mich an jemanden erinnern, den ich kenne (Übertragungen)
Sie sind wie Echos in unserem Leben. Echos symbolisieren etwas, was uns unbewusst anzieht, weil wir im Bewusstsein die Gegenseite als wichtiger erachten. Echos legen den Finger in unsere ganz persönlichen Wunden und zeigen uns, wo wir uns um uns kümmern sollten. Sie fragen uns, ob wir bei bestimmten Themen uns selber ausreichend Aufmerksamkeit schenken.
Ein Beispiel: Eigentlich möchte ich gesund zu leben. Dazu gehört auch Bewegung. Aber der Vorsatz, jede Woche 2 – 3 Mal eine Stunde zu Joggen, setzt seit Monaten aus. Die Gründe: Das Wetter ist schlecht, es ist etwas dazwischen gekommen, der Freund, mit dem ich normalerweise lostrabe, ist verhindert.
Erst ist das kein Problem, aber plötzlich fallen mir immer wieder Leute, die Joggen oder Walken und zwar immer genau in meiner Straße und auf meinem Weg. Dauernd laufen diese sportlichen Leute umher, und es werden in meiner Wahrnehmung immer mehr. Das ärgert mich, ich fühle mich noch schlechter und schimpfe über den Gesundheitswahn in unserer Gesellschaft.
Merken Sie etwas? Das nicht beachtete Bedürfnis nach gesunder Lebensweise macht sich durch Ärger auf sportliche Menschen Luft.
Nutzen Sie unsere Übung, um Ihre ganz persönlichen Bedürfnisse und Projektionen zu erkennen.