Empathie, Mitgefühl und Verständnis

Empathie ist eine unterschätze Fähigkeit im IT-Projekt

Hilft hier Empathie?
Teammeeting. Es ist schlechte Stimmung. Die Assistentin Sara Peters hat gerade lautstark die Tür zu ihrem Büro zugeschlagen. Drinnen hört man sie schimpfen. Das Team sitzt ratlos im Konferenzraum. Was ist passiert?

Sara Peters hat sich zum wiederholten Male über den Zustand der Teeküche und der Büros beschwert. Schmutziges Geschirr wird nicht in die Spülmaschine geräumt, abgelaufene Lebensmittel schimmeln im Kühlschrank vor sich hin und angefangene Wasserflaschen mit abgestandenem Inhalt lagern auf und neben den Schreibtischen im Büro.

„Ich bin doch nicht euer Hauself, der euch alles nachträgt und immer die Büros aufräumt“, hat sie sich beklagt. „Was passiert, wenn morgen unser Kunde zum Workshop kommt? Sollen unsere Gäste so empfangen werden?“ Die Entwickler im Team verstehen die ganze Aufregung nicht. „Der Kunde betritt doch nicht unsere Büroräume. Reg’ dich nicht so auf. Außerdem muss man ja sehen, wie hart wir für ihn arbeiten“, antwortet der Kollege Tobias Vogt aus der Entwicklungsabteilung und fügt verschmitzt hinzu: „Wir sind halt die Genies und Gurus. Wir durchblicken dieses Chaos.“ In diesem Moment platzt der Assistentin der Kragen. „Ihr seid richtige Schweine. Macht ihr das zu Hause auch so? Ich glaube, ihr wollt mich nur provozieren und ausnutzen.“ Und weg ist sie.

Was hier den rauschenden Abgang von Sara Peters provoziert hat, ist das fehlende Verständnis ihrer Kollegen.

Empathie…

  • oder Mitgefühl erzeugt Verständnis.
  • ist die Fähigkeit, sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen, sich vorstellen zu können, was der andere fühlt.
  • hilft uns, Worte dafür zu finden, was wir am anderen beobachten, und das anzunehmen, ohne es zu bewerten.

Oder anders formuliert: Es ist die Fähigkeit, sich auf die Bedürfnisse des Gegenübers einzulassen, sich in die Gefühlswelt des anderen hineinzufühlen.

Empathie ist notwendig, weil wir es fast immer und überall mit anderen Menschen zu tun haben, selbst wenn wir hinter dem Bildschirm sitzen.

Unsere Fähigkeit, Empathie oder Mitgefühl zu entwickeln, gehört zu unserer genetischen Grundausstattung. Sie ist unerlässlich für uns Menschen als soziale Wesen. Auch bei Tieren kann man empathische Verhaltensweisen beobachten. In der Kindheit entwickelt sich die Fähigkeit zur Empathie mit der Fähigkeit, das eigene Ich zu erkennen. Ohne ein bewusstes Ich gibt es keine Empathie.

Es reicht aber nicht aus, sich in die Gefühlswelt des anderen einfühlen zu können. Entscheidend ist, ob man auch entsprechend handelt. In unserem Fall können die Entwicklerkollegen sicherlich gut nachfühlen, dass sich ihre Teamassistentin ärgert. Aber es fehlen Verhaltensweisen, die ihrem Ärger angemessen wäre, das Nachfragen und die Klärung der Situation.

Damit das gelingt, müssen sich die Kollegen zunächst bewusst werden, welches Gefühl sie bei ihrer Teamassistentin wahrnehmen, und Hypothesen entwickeln, aus welchen Motiven heraus dieses Gefühl entstanden sein könnte. So kann sich Sara ärgern oder verzweifelt oder wütend sein, weil sie z. B. Ordnung braucht, um sich wohlzufühlen, oder gerne eine gute Gastgeberin für die Kunden sein möchte oder von den Kollegen ernst genommen werden will.

Das wären drei plausible Möglichkeiten, die immerhin neun Varianten ergeben. Doch welche gilt denn nun für diese konkrete Situation und diesen konkreten Menschen? Hier hilft nur direktes Nachfragen beim Betroffenen, um die Motive im Einzelnen zu klären.

Werden Sie sich bewusst, welches Gefühl Ihr Gegenüber zeigt, und entwickeln Sie eine Hypothese, welches Motiv ihn oder sie antreibt. Dann haben Sie gute Chancen, darauf adäquat einzugehen. Ihr Mitarbeiter wird sicherlich bemerken, wenn Sie Verständnis haben. Sie werden sich dann besser verstehen. (Wie man Gefühle benennt, erfahren Sie in Kapitel 3.3.)

Mit vier einfachen Schritten zu mehr Transparenz

Aber wie können Sie etwas über die Motive Ihres Gegenübers erfahren? Eine einfache Satzfolge in vier Kommunikationsschritten schafft hier mehr Transparenz. So können wir das Eingangsbeispiel analysieren:

Kommunikationsschritte Formulierung Was sage ich?
1. Wiederholung dessen, was Ihr Gegenüber gesagt hat, und zwar in eigenen Worten. Wenn du sagst … Wenn du sagt, „Ich bin doch nicht euer Hauself“,
2. Benennung des Gefühls, das Sie am anderen wahrgenommen haben. Fühlst du dich … fühlst du dich ausgenutzt,
3. Nennung des Motives, das Sie vermuten, Ihre Hypothese. Weil du …. brauchst. weil du eine gute Gastgeberin für unsere Kunden sein willst?
4. Nachfrage, ob Ihre Wahrnehmung mit derjenigen Ihres Gegenübers übereinstimmt. Ist es das? Ist es das?

Ihr Gegenüber kann jetzt erfahren, ob Sie ihn verstanden haben. Sie können mitfühlen, was er oder sie fühlt. Und dies, ohne zu unterstellen, genau zu wissen, was der andere denkt und fühlt, denn schließlich fragen Sie am Ende des Dialogs noch einmal nach.

Aber Vorsicht: Ohne die vielen Fragen, vor allem ohne die Abschlussfrage in Schritt 4 kann diese Vorgehensweise auch Missverständnisse provozieren. Dann lautet unser Beispiel so: „Wenn du sagst ‚Ich bin doch nicht euer Hauself.‘, dann fühlst du dich nicht ernstgenommen, weil du eine gute Gastgeberin sein willst. (Ich hab’s ja gleich gewusst!)“
Eine mögliche Reaktion: „Du immer mit deiner Besserwisserei. Als könntest du in alle hineingucken. Ach, ich sag’ gar nichts mehr!“
Ohne Fragezeichen und nachfolgende Bestätigung oder Ablehnung Ihrer Vermutung fühlt sich Ihr Gesprächspartner vielleicht überrumpelt und wieder missverstanden. Dabei haben Sie es doch gut gemeint.

Damit Sie Kompetenz in dieser Art der Gesprächsführung aufbauen können, versuchen Sie diese Übung.

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